Ich habe Perfektionismus!

Klingt wie eine ätzende Krankheit, oder?

Ok, Perfektionismus ist zwar keine Krankheit, aber trotzdem ätzend!
Oder doof, hinderlich und blöd – zumindest die Form an der ich leide.

Denn diese Art von Perfektionismus bringt nichts Gutes mit sich.
Sondern nur Frustration.

Und ja, ich leide tatsächlich darunter!

Denn meine Art des Perfektionismus sorgt sehr zuverlässig dafür, dass ich niemals mit mir und dem was ich mache zufrieden bin. Ich habe nämlich verdammt hohe Ansprüche an mich selbst.
Und da ich diese nicht erfüllen kann, weil sie meistens völlig überzogen sind, bin ich am Ende so ziemlich immer frustriert.

So nehme ich mir zum Beispiel für einen Tag bestimmte Dinge vor, die einfach zeitlich schon garnicht zu schaffen sind! Das Schlimme ist, ich weiß das sogar von vornherein.
Und trotzdem ärgere ich mich, wenn ich im Laufe des Tages dann verschiedene ToDos wieder von meiner Liste streichen muss, weil ich sie bis zum Abend nicht auf die Reihe kriege.

Dann bin ich tierisch wütend auf mich selbst, fühlte mich als Versagerin und rede ganz furchtbar schlecht mit mir!
Dass all diese Dinge an einem Tag garnicht zu schaffen waren, interessiert mich dann nicht die Bohne!

Und, dass das Meiste davon nicht wirklich wichtig ist, sondern nur meinem Dickkopf nach gerade einfach erledigt werden sollte, interessiert mich dann sowieso nicht!

Ganz besonders schlimm wird es, wenn ich Andere in meinen Perfektionswahn mit einbeziehe!
Mein armer Ehemann hat es echt nicht leicht mit mir! Wehe, er deckt den Tisch nicht nach meinen Vorstellungen, erst recht, wenn wir Besuch bekommen.

Für mich und meinen Perfektionismus ist es schrecklich, wenn Teller und Besteck nicht zusammen passen oder wenn am End nicht alle das gleiche Weinglas vor sich stehen haben!

Eine Katastrophe!

Und selbst wenn „eigentlich“ alles perfekt ist, der Tisch schön gedeckt, das Essen lecker, der Wein gut und wohltemperiert in die abgestimmten Gläser gefüllt, sehe ich immer noch irgendwo Verbesserungsbedarf und gräme mich dann.

Die Messlatte für meine Definition von „perfekt“ liegt immer unerreichbar hoch: mir erscheint alles was ich anpacke schrecklich unperfekt und bei anderen wirkt alles so vollkommen, wunderbar und mühelos!

Ich strenge mich an und gebe mir Mühe und gräme mich und weiß doch eigentlich ganz genau, dass Perfektion ja grundsätzlich nicht erreichbar ist.
Es geht immer noch ein bisschen besser, leckerer, schöner.

Gibt es Perfektion denn überhaupt?

Und woher kommt mein Perfektionismus eigentlich?
Warum muss denn immer alles, was ich anpacke perfekt sein?
Warum sind meine Ansprüche an mich selbst so wahnsinnig hoch?

Mein Perfektionismus liegt wahrscheinlich darin begründet, dass ich mein Leben lang gedacht habe, dass ich nur liebenswert bin, wenn ich perfekt bin.

Und da ich in meinen Augen niemals perfekt war, war ich auch nie liebenswert.

Logisch, oder?

Ich liebe die Menschen in meinem Leben mit all ihren Macken und Marotten.
Ja, sie nerven mich manchmal, aber ich liebe sie trotzdem sehr und bin sehr dankbar und froh, Teil ihres Lebens sein zu dürfen.

Wenn ich meine unperfekten Freunde mit all ihren Macken für sehr liebenswert halte, kann meine Logik, dass nur perfekte Menschen liebenswert sind, ja wohl nicht so ganz stimmen, oder?
(Ohje, ich krieg bestimmt Ärger, dass ich meine Freunde als unperfekt oute)

Und merkwürdigerweise – je besser ich die lieben Menschen in meinem Umfeld kenne, desto mehr Macken entdecke ich an ihnen – und, desto lieber habe ich sie!

Wahrscheinlich werde ich erst mühsam lernen müssen, dass ich garnicht perfekt sein muss, um liebenswert zu sein und nach und nach meinen Perfektionismus abschütteln.

Ich muss vielleicht einfach mal daran glauben, dass es am End vielleicht sogar meine Makel und Macken sind, die mich liebenswert machen.

Und eigentlich hab ich sogar schon die Bestätigung bekommen, dass ich so unperfekt, gar nicht so schlecht bin:
ich bin zum Beispiel mit den letzten beiden Blogbeiträgen überhaupt und gar nicht zufrieden, bis mir eine liebe Freundin sagte, dass genau diese beiden meine bisher besten wären, denn man würde lesen können, dass es jetzt einfach läuft, ich den Bogen raus hätte und die Worte fließen würden!

Verrückt!

Vielleicht sollte ich hier mal ausnahmsweise auf die Meinung der anderen nicht hören, aber vertrauen!

Und vielleicht sollte ich mal schauen, ob meinen Freunden überhaupt auffällt, dass sie verschiedene Gläser vor sich stehen haben und Teller und Besteck nicht zueinander passen.

Und falls es Ihnen auffällt, sie haben mich bestimmt trotzdem gern.

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4 Kommentare

  • Samantha

    Samantha

    Antworten

    Auf deine Art und Weise bist du perfekt. Die perfekte Becci mit den Ecken, Kanten und Macken die zu dir gehören. Wie wir dich alle schätzen und mögen, Sei nicht immer so streng zu dir…. du bist wundervoll genau so wie du bist.

    Beim nächsten Date üben wir mal wir mal und stellen alle Gläser unpassend auf den Tisch ☺️

    • stopstoppingyourself

      stopstoppingyourself

      Liebe Samantha,

      viele Dank, Du Süße!!!

      Ich hab jetzt schon ein bisschen Angst, vor unserem nächsten Mädelsabend…
      Aber ich werde versuchen sehr tapfer zu sein!

      Liebe Grüße
      Rebecca

  • Janine

    Janine

    Antworten

    Liebe Rebecca,

    ich kenne wenige Männer, aber viele Frauen, die unter Perfektionismus leiden- mich mit eingeschlossen!!!
    Schon allein das Artikelfoto lässt mich zusammenzucken und erinnert mich daran wie unperfekt meine Besteckschublade aussieht.
    Und ehrlich: ich war das letzte Mal schwer beeindruckt, wie perfekt euer Kühlschrank sortiert ist und wie es dort blitzt und glänzt. Wenn du also das nächste Mal wieder leidest, komm vorbei und ich lass dich in meine restlichen Küchenschränke gucken!
    Drück dich, liebe (fast) perfekte Rebecca

    • stopstoppingyourself

      stopstoppingyourself

      Liebe Janine,

      viele Dank für Deinen lieben Kommentar!

      Woran, glaubst Du, liegt es, dass eher Frauen dem Perfektionismus verfallen sind?
      Müssen wir uns mehr anstrengen, um uns gegenüber den Männern zu behaupten?
      Oder fühlen wir uns, wenn wir nicht perfekt sind, weniger wertvoll?

      Im Moment arbeite ich daran, den Kühlschrank verwildern zu lassen!
      Mit der Küchenschublade war ich, wie man sehen kann, schon erfolgreich!
      Es fällt mir schwer, ist aber gleichzeitig unglaublich befreiend!
      Probier´s mal!

      Viele liebe Grüße
      Rebecca

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