#metoo ist nicht vorbei

Oder: Warum wir nicht aufhören dürfen, unsere Grenzen aufzuzeigen und für uns selbst einzustehen.

Neulich Abend waren der beste Ehemann und ich wahnsinnig spontan. (Das ist etwas sehr Besonderes, denn normalerweise sind wir nur spontan, wen man uns rechtzeitig Bescheid sagt.)

Eine Freundin hatte zwei Karten für den Auftritt eines Comedians übrig, von dem wir noch nie gehört hatten. Eine kurze YouTube Recherche hat ergeben: ein Schotte, mit grenzwertig bösartigem Humor, den andere wohl von Netflix kennen, der es darauf anlegt, dass sich sein Publikum auch hin und wieder ein bisschen unwohl fühlt.

Bösartiger und grenzwertiger Humor? YES!

Bis auf die letzte Viertelstunde verlief der Auftritt genau so, wie wir es erwartet und erhofft hatten: bösartig und grenzwertig. Es ging um das Patenkind, Sexualkundeunterricht in der Schule, Pferde und wie man sie angemessen grüßt, Glaubenssätze und archivierte Meinungen – wir hatten einiges zu Lachen und konnten uns auch ein bisschen unwohl fühlen.

Bis er zum Thema #metoo kam.

Ich war erstmal ziemlich geschockt und habe ab diesem Augenblick erwartet, dass der Abend jetzt soweit unter die Gürtellinie rutscht, dass selbst mir – und ich kann viel bösartigen Humor ertragen – nur noch die Flucht bleibt.

Falsch gedacht!

Daniel (so heißt der grenzwertige Schotte), nutzte seinen Auftritt und seinen Humor, um das Thema in aller Deutlichkeit anzusprechen und vor allem die Männer im Saal kräftig wach zu rütteln. Er erzählte von einer starken Frau, einem Arschloch, von Fehlern, Tätern und Überlebenden.

Statt – wie erwartet – bösartig kichernd, gingen wir stattdessen mit einem Päckchen nach Hause, an dem wir ordentlich zu schleppen hatten.

Ich bin sehr froh darüber.

Denn #metoo ist bei mir schon wieder ganz schön weit in den Hintergrund gerückt.
Und das darf nicht passieren. Dafür ist das Thema viel zu wichtig.
Ich möchte mir deshalb heute ein Beispiel an dem grenzwertigen Schotten nehmen und auch Dir ein Päckchen mitgeben, denn je mehr dieses Päckchen tragen, umso leichter wird es.

#metoo ist aktuell wie eh und je.

Erschreckender Weise kenne ich keine Frau, die nicht schon einmal einen sexuellen Übergriff erlebt hat – egal welcher Art und in welcher Ausprägung.
Jede meiner Freundinnen, Bekannten und weiblichen Familienmitgliedern, die ich gefragt habe, kann sich an Momente (Plural!) in ihrem Leben erinnern, in denen ihre Grenzen überschritten wurden.
Dabei sind die Arten und Ausprägungen so vielfältig – und dennoch haben sie alle eines gemeinsam: es sind Übergriffe.

Und leider genau so wie die Ausprägungen, gehen die Meinungen, wann es sich um einen sexuellen Übergriff handelt, bei Männern und Frauen oft weit auseinander.

Dabei gibt es da keinerlei Interpretationsspielraum:
Sobald sich jemand bei einer Berührung oder einer Aussage unwohl fühlt, wurde eine Grenze überschritten.
Jede Berührung, die beabsichtigt und nicht gewollt ist, ist ein Übergriff.
Eine Vergewaltigung ist immer eine Vergewaltigung, egal ob durch einen Fremden oder den eigenen Ehemann.

Aber auch wir tragen eine Verantwortung.

Das Problem sind nicht nur die Männer, die unsere Grenzen überschreiten – wir sind Teil des Problems, indem wir die kleinen Überschreitungen zulassen und uns selbst sagen, dass wi Runs nicht so anstellen sollen.#metoo Du Grenzen setzen Selbstbewusst Eigenverantwortung Mut stopstoppingyourself stop stopping yourself Blog Selbstbestimmung

Wir Frauen haben gelernt, unser „ungutes“ Gefühl zu ignorieren und dadurch viel zu viele Grenzüberschreitungen in unserem Leben zugelassen – und machen das bis heute.
Wir ertragen diese Situationen im Stillen, spielen die Situation vor uns selbst runter und stellen uns eben nicht so an.

Wir haben Angst vor Scham, Bloßstellung und Konsequenzen, wenn wir unsere Meinung sagen.

Wir interpretieren Berührungen als Versehen, obwohl sich derjenige, der uns berührt nicht für sein Versehen entschuldigt, wir schlafen mit unserem Mann oder Partner, obwohl wir eigentlich keine Lust haben, wir aber nicht prüde sein wollen, wir geben uns selbst die Schuld, wenn wir uns sexuell motivierte Kommentare anhören müssen, weil wir ja wohl zu locker oder zu offen waren.

Und genau hier liegt das Problem, es werden nicht nur unsere Grenzen überschritten, wir werden auch in die Situation gebracht, eine Entscheidung zu treffen: Ertragen oder Verteidigen.

Leider entscheiden wir uns viel zu oft für das Ertragen, denn das Verteidigen kann sehr unangenehm werden.

Ich hab mal einen Fremden, der seine Hand im Gedränge an der Bar auf meinem Hintern geparkt hatte, angebrüllt, dass er das gefälligst lassen soll. Seine Antwort war, dass er so etwas Hässliches wie mich nie anfassen würde, meinte, ich sei verrückt und verzweifelt und ließ mich stehen.
Ich habe mich so geschämt und so benutzt gefühlt.
Und bis heute – 10 Jahre später – spüre ich in mir eine eiskalte Wut, wenn ich an diese Situation denke.

Wer sagt schon gern dem Chef, vor versammelter Mannschaft, dass er seine Hände gefälligst bei sich behalten soll?
Wie sieht die Konsequenz aus?
Verlieren wir unseren Job? Wird uns die Karriereleiter abgesägt?

Wir fragen uns, ob die Berührung nicht vielleicht ein Versehen war und ertragen die Situation.

Die, bei der wir uns zwar unwohl fühlen, aber uns selbst sagen, wir sollen uns nicht so anstellen: die Hand eines Unbekannten auf dem Hintern im Gedränge einer Party, die Umarmung des Chefs zum Geburtstag, die etwas zu lange dauert, das „versehentliche“ Streifen der Brust, wenn der Kollege etwas zeigen will.

Dabei ist das so ein Blödsinn!

Keine Berührung, für die sich nicht sofort entschuldigt wird, ist ein Versehen.
Wer uns versehentlich berührt, entschuldigt sich sofort.
Wer das nicht tut, hat nicht aus Versehen gehandelt.

Es wird Zeit, dass wir endlich unsere Grenzen und Körper lautstark verteidigen!

Es ist an uns, für unsere Grenzen und Rechte lautstark einzustehen!

Niemand hat das Recht uns anzufassen, wenn wir es nicht wollen.

Niemand hat das Recht uns zu sagen, dass wir uns nicht so anstellen sollen, wenn wir unsere Grenzen aufzeigen.

Niemand hat das recht, uns ein schlechtes Gewissen zu machen, wenn wir darauf bestehen, dass unsere Grenzen eingehalten werden.

Niemand hat jemals das Recht, unsere Grenzen zu überschreiten.

Aber wir haben das Recht:

Es laut und deutlich zu sagen, sobald wir uns mit einer Situation oder einer Berührung unwohl fühlen.
Unsere Grenzen selbst zu definieren und aufrecht zu erhalten.
Nur weil wir A gesagt haben, müssen wir nicht B sagen.
Wenn wir nicht wollen, wollen wir nicht. Punkt!

Und wir sind nicht empfindlich, hässlich und zickig!
Wir stellen uns nicht an und wir übertreiben nicht!
Wir bestimmen über unsere Grenzen!

PS: Diesen Beitrag habe ich voller Wut geschrieben, ich hoffe Du hast das beim Lesen gemerkt.

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