Was hab ich nur getan?

Oder: Warum Panik kein Grund ist, in Panik zu verfallen.

Vor kurzem erste hatte ich ihn, den Moment, den ich im letzten Jahr am meisten gefürchtet habe: es war kein Unbehagen, kein kleines Aufflackern von Zweifel, keine Beunruhigung – es war blanke, panische Angst.

Panik!

Ich saß in einem Seminar zum Thema Gesundheitsprävention. Endlich ein Thema in meiner Fortbildung, dass mich wirklich interessiert, vor Allem wegen meiner ungesunden beruflichen Erfahrungen in den letzten Jahren.
Es ging um Resilienz, also psychische Widerstandsfähigkeit, Burn-out Prävention, Stress und seine Faktoren, usw. usw… Also jede Menge Themen, mit denen ich mich in den letzten Jahren intensiv beschäftigt habe.

Irgendwann änderte sich die Diskussion zu speziellen Anforderungen, denen Frauen im Berufsleben begegnen. Von ungleichen Gehältern über Perspektiven von Müttern am Arbeitsmarkt, von der Bevorzugung von Männern im Bewerbungsprozess wegen drohender Schwangerschaften der weiblichen Bewerber, bis hin zur Frage, wieviel eine Frau für den perfekten Lebenslauf auf sich nimmt.

Sehr brisante Themen, die uns allen immer wieder begegnen, die leider oft heruntergespielt und nicht ernst genommen werden, die emotional sehr aufwühlen und uns zeigen wie weit wir immer noch von Gerechtigkeit und Gleichberechtigung entfernt sind.

Und mittendrin fiel mir ein, dass ich mit meiner Entscheidung, meinen unbefristeten Job im öffentlichen Dienst aufzugeben und zu meinem Willstdunichtmalwasanständigesmachen- Job zurückzukehren, meinen Lebenslauf quasi kastriert habe.

Mir wurde schlecht.

Mein Lebenslauf war zwar bis letztes Jahr nicht ganz so geradlinig, wie es heute von Hochschulabgängern erwartet wird, – also kein Master mit 25 mit mehrjähriger Auslands- und Berufserfahrung – aber doch ziemlich passabel.

Eben bis letztes Jahr.

Mir war natürlich die ganze Zeit bewusst, dass ich mich mit meiner Entscheidung auf dem Arbeitsmarkt nicht attraktiver gemacht habe, zumindest nicht in dem Bereich, in dem ich vor Jahren mal Fuß fassen wollte. Aber ich habe meine Entscheidung bewusst getroffen.

Und nun – von einer Sekunde auf die andere – tobte in mir das volle Gedankenkarussell:

Ich habe nie wieder eine Chance am Arbeitsmarkt!
Was habe ich nur getan?
Wie konnte ich so doof sein?
Ich finde nie wieder einen normalen Job!

(Selbst jetzt, während ich diesen Artikel schreibe, steigt eine leise Panik in mir auf).

Dazu bekam ich Herzrasen, schweißnasse Hände und sämtliche weitere Symptome einer Panikattacke.
Ich war von jetzt auf gleich der festen Überzeugung, ich hätte mein Leben ruiniert.
Existenzängste kamen in mir hoch. Und immer wieder die Frage

„Wie konnte ich das nur tun?“

Ich fing an mir alle Gründe vor Augen zu führen, weshalb ich meine Entscheidung getroffen habe: mein Wunsch nach Selbstbestimmung, nach einem Beruf, der mir Spaß macht, nach Selbstverwirklichung und mehr Zeit für mich, wegen meiner psychischen Gesundheit, meiner Werte und Grundsätze – alles das!

Und dazu habe ich meine Entscheidung das Nine-to-five-Modell zu verlassen ja nicht ohne Netz und doppelten Boden getroffen: meine Berufsunfähigkeitsversicherung greift sogar bei meinem „unanständigen“ Job.

Aber nichts half gegen die Panik und das überwältigende Gefühl, einen riesigen Fehler gemacht zu haben.

Also fing ich an nach dem Grund zu suchen, was genau mich eigentlich in genau diesem Moment so in Panik versetzen konnte.
Und ich hatte ihn ziemlich schnell gefunden:

Ich habe auf das gehört, was andere sagen!
Schon wieder!

Jemand anderes hatte gerade wieder gesagt, ich könnte als Frau in meinem Alter mit meinem Lebenslauf nichts mehr erreichen!
Und ich habe es, ohne zu hinterfragen, geglaubt.

Ich war schon wieder in die Falle gegangen!

Als mir das bewusst wurde, war meine Panik einfach verflogen!

Klar, ich kann mit Sicherheit nicht abstreiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ein größeres bisschen unattraktiver zu sein. Ich klettere nicht die Karriereleiter steil nach oben. Ich werde mit meinem Lebenslauf, so wie er jetzt ist, bei meiner nächsten Bewerbung auf einen Bürojob mit Sicherheit nicht die Top-Kandidatin sein.

Aber das will ich auch garnicht!

Ich will nicht wieder jeden Tag der Woche im Büro verbringen und meine Wochenenden damit, mich vor dem kommenden Montag zu fürchten.
Ich will mich überhaupt nicht um einen Bürojob bewerben.
Ich habe kein Interesse daran auf Leitern emporzusteigen, auf denen es mir nicht gut geht.

Stattdessen kann ich es einfach genießen Freude bei der Arbeit zu empfinden und Spaß daran zu haben, habe ich alle Möglichkeiten, mich bei meinem neuen, alten Arbeitgeber weiterzuentwickeln (und schwups – die Weiterbildung ist auf einmal garnicht mehr so ätzend) und ich habe genug Freiraum für persönliche Weiterentwicklung – wer weiß, vielleicht mache ich mich sogar eines Tages nebenberuflich selbstständig.

Es gibt keinen Grund wegen etwas in Panik zu geraten, das ich überhaupt nicht will.

Ich werde ja auch nicht panisch, weil ich zu alt dafür bin, mich als Astronautin bei der ESA zu bewerben oder, weil ich meine Chance verpasst habe, Spitzensportlerin zu werden oder, weil ich zu klein für Germanys Next Topmodell bin.

Ich muss einfach nur auf mich schauen!
Auf meine Werte, Wünsche und die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, dass ich einfach ich bin.

Aber wenn das so einfach wär, hätte es diesen Artikel nicht gegeben…
Und wohl auch nicht diesen Blog!

Wie geht es Dir damit?
Kennst Du das Gefühl einen Fehler gemacht zu haben, der gar keiner war?
Diese Panik, die völlig unlogisch aus dem Nichts gesprungen kommt, obwohl sie so unlogisch ist?

Ich freue mich sehr über einen Kommentar von Dir!

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2 Kommentare

  • Ilona

    Ilona

    Antworten

    Hey Becci, ich kenn das sehr gut! Die alten Muster sind halt noch da, man erinnert sich…zum Glück wissen wir, wie es wieder raus geht! Sehr inspirierend, dein Text!

    • stopstoppingyourself

      stopstoppingyourself

      Liebe Ilona,

      Da hast Du so recht!
      Die alten Mistdinger nerven wirklich ganz schön.
      Vor allem, wenn sie sich so anschleichen…

      Vielen Dank für Deine lieben Worte!

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