Nur Mut zum Hut!

Oder: was Selbstbestimmung mit Hüten zu tun hat!

Ich habe einen Hut!

Genauer gesagt besitze ich sogar mehrere Hüte: einen großen dunkelblauen breitkrempigen Hut, einen schwarzen eher runden schmalkrempigen Hut, einen geflochtenen braunen mafiosomäßgen Sommerhut und zwei französische Hutmützchenzwischendinger, eins in rot und eins in grau.
Bis auf den mafiosomäßigen Sommerhut haben sie alle eins gemeinsam: sie verstauben nahezu ungetragen.

Sie haben mir nichts getan! Ich habe sie alle sogar selbst gekauft und tatsächlich auch alle nur wenige Male der Öffentlichkeit präsentiert. Eigentlich nur an dem Tag, an dem ich sie gekauft habe. Die meisten von ihnen in Frankreich, einen in Brasilien.

Nur der Sommerhut wird regelmäßig aufgesetzt, sobald ich mich länger in der Sonne aufhalte und auch genug Wasser in der Nähe ist und ich dazu einen Bikini trage.
Da ich ohne ihn so schnell einen Sonnenbrand auf dem Scheitel bekomme ist er wohl auch mein Prophylaxe-Hut, ein medizinisch notwendiger Hut sozusagen.

Ich mag meine Hüte sehr.

Ich finde sie sehr schick und kleidsam und würde sie sehr gern öfter tragen, aber ich tu´s nicht.
Denn ich kann ja wohl unmöglich einen Hut so einfach in der Öffentlichkeit tragen – wie sieht das denn nur aus?

Aber wirklich!

Tatsächlich wurde mir das schon ein paarmal gesagt: zum Beispiel von der lieben ehemaligen Kollegin, die verhindern wollte, dass über mich getratscht wird, oder von meinem Ehemann, der immer aufpasst, dass ich mich bloß nicht zu schick mache.

Und wie so ziemlich alles was man mir in den letzten Jahren so gesagt hat, habe ich es hingenommen und nicht hinterfragt.
Vor allem, weil ich diese beiden Menschen echt gern habe.

Dabei tut ein Hut doch keinem weh, er stört niemanden, er ist nicht eklig oder gemein oder bösartig!

Aber ich habe mir auf einmal Sorgen gemacht, was die Leute denken, wenn ich außerhalb Frankreichs mit einem Hut herumlaufe, der nicht medizinisch notwendig ist.

Das wäre ja quasi ein Skandal!

Und genau das ist der Punkt: trotz all meines Bestrebens nach Selbstbestimmung gibt es immer noch ein paar Dinge, die ich einfach hinnehme und nicht hinterfrage, mich sogar dafür schäme und die Empfindungen anderer einfach unüberlegt übernehme.

Und während ich das hier schreibe, fällt mir wieder auf, wie lächerlich das doch ist.

Und ich ärgere mich mal wieder ein bisschen über mich selbst.

Ich schreibe hier ständig über Selbstbestimmung und dann traue ich mich noch nicht einmal einen Hut zu tragen! 
Wie weit ist es denn um meine Selbstbestimmung bestellt, wenn sie so einfach an einem schicken Kleidungsstück scheitert?

Ich weiß noch, wie ich früher oft von meinen Freundinnen gehört habe, dass ich dieses oder jenes nicht anziehen könnte, weil das ja zu so und so war.
Und ich erinnere mich noch gut daran, was ich dachte, als diese Freundschaften kriselten.
Mein Gedanke war „jetzt kann ich endlich anziehen, was ich will“ und ich war unglaublich erleichtert darüber.

Traurig, oder?

Aber vielleicht geht es heute garnicht um den Hut an sich, vielleicht sind meine Hüte ja ein Überbleibsel meiner alten Gewohnheit andern mehr Kompetenz für mein Leben und meine Entscheidungen einzuräumen als mir selbst.

Falls das so ist, muss das dringend aufhören!

Ich muss nochmal genau nachschauen, da sich wohl trotz aller Gründlichkeit immer noch kleine Fallen in meinem Leben verstecken und ich frage mich wieviele „Hüte“ sich noch so nach und nach zu erkennen geben.

Denn wenn ich ganz ehrlich zu mir selbst bin, muss ich ganz kräftig über mich den Kopf schütteln.
Über so einen Blödsinn!

Ich habe meine gesamte berufliche Zukunft gegen jede Menge Daskannstdudochnichtmachens durchgesetzt und jetzt scheitert meine Selbstbestimmung an einem Hut?

Das ist doch verrückt!

Was ich mit den ganzen Hüten eigentlich sagen will: so sehr wir uns in unserm Leben um Selbstbestimmung bemühen, wir werden immer irgendwo einen alten Hut finden, der fremdbestimmt dafür sorgt, dass wir ihn nicht voller Stolz tragen.

Das kann ein Kleidungsstück, das wir nicht tragen, ein Hobby dem wir nicht nachgehen, eine Musikrichtung, die wir nicht hören oder auch ein Charakterzug, den wir unterdrücken sein.

Wichtig ist, dass wir die alten Hüte als solche erkennen und uns selbst ganz genau fragen, warum wir uns für sie schämen, obwohl wir sie eigentlich doch ziemlich klasse finden.

Was meine Hüte angeht: Es reicht!
Sie haben sich auf ein Leben draußen in der Welt gefreut, auf einen Kopf, der sie mit stolz trägt und nicht auf ein trauriges trübes dasein auf Garderobenständern.

Und deshalb war ich heute Abend mit einem meiner Hüte und einer lieben Freundin essen.
Und wir drei hatten einen sehr schönen Abend miteinander!

 

Hast Du auch ein paar alte Hüte?

Ein Kleidungsstück, das Du Dich nicht zu tragen traust?
Hörst Du eine bestimmt Musik nicht, weil andere sie uncool finden?
Hast Du ein Hobby auf das Du verzichtest, weil andere meinen es sei lächerlich?
Hast Du eine Eigenschaft, die Du vor anderen versteckst?

Ich bin sehr neugierig…

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