Schaut her, ich bin wer!

Oder: wen willst Du beeindrucken?

„We buy things we don’t need with money we don’t have to impress people we don’t like.“

– Fight Club

Mein Haus, mein Auto, mein Boot, mein Job, meine Handtasche, meine Armbanduhr, mein Friseur, mein Urlaub, mein Ehemann…

Wir sind nur wer, wenn!

Wir wollen zeigen, was wir haben und sind.

Und dabei ist es völlig egal, mit wem oder was wir uns identifizieren.
Die allerwenigsten können von sich behaupten, dass sie sich nicht vergleichen und beeindrucken wollen – ob Anfang Zwanzig oder Ende Dreißig, ob Schnösel oder Hipster, ob Mann oder Frau.

Du denkst, dass das nicht stimmen kann?
Du denkst, dass Du ganz anders bist?

Hast Du nicht vielleicht auch eine von „den“ Handtaschen, „das“ Label an Deinen Klamotten oder fährst „dieses“ Auto?

Nein? Bist Du sicher?
Dann darfst Du Dich heute entspannt zurück lehnen und verständnislos über mich den Kopf schütteln.
Ich dachte das nämlich auch…

Und trotzdem habe ich angeknabbertes Obst auf meinem Notebook und meinem Handy, meine Handtaschen sind entweder braun kariert oder tragen die Namen oder Initialen irgendwelcher Männer und behaupten von sich sie wären niemals voll oder sehr schnell, meine Jeans haben die richtigen Kringel auf den Potaschen oder Schildchen direkt daneben, meine Schuhe und Sonnenbrillen haben die richtigen Logos, ich trage Schmuck, der bei Verlust nach New York zurück geschickt werden soll und ganz unten im Schrank habe ich immer noch die Shirts mit den aufgestickten Menschen die auf Pferden sitzen und mit Bällen spielen.

Scheint, als wär ich ´ne ziemliche Tussi, oder?

Und das sind nur all die Dinge, die mir spontan einfallen.
Und dabei habe ich ja immer gedacht, dass ich sooo völlig frei von Vergleichen, garnicht so leicht zu beeindrucken und ´ne coole Socke bin.

Und wenn ich mal ganz, ganz ehrlich zu mir selbst bin, habe ich die meisten dieser Dinge auf meiner Liste nicht gekauft, weil ich von ihnen überzeugt war, sondern weil sie für etwas stehen.

Es ging mir aber nie darum irgendeinem bestimmten Trend zu folgen, es war eher ein Dazugehörenwollen.
Ich wollte ein Statement setzen und damit meinen Selbstwert erhöhen und mein Selbstwertgefühl aufpolieren.

Mir erschienen die Mädels mit ihren Handtaschen und Polohemden so perfekt und selbstsicher und ich wollte einfach genauso sein. Und ich wollte beeindrucken.

Und eigentlich hat sich heute nicht viel verändert.

Was zu Schul- und Studienzeiten die Kleidung und die Handtaschen waren, sind heute die Jobs, Häuser, Autos und Kontoauszüge – ja selbst Kinderwagen und Entwicklungsschübe der lieben Kleinen werden verglichen.

Wie sehr ich abhängig von der Bewertung anderer war, wurde mir erst später, ein paar Jahre nach dem Studium, klar.

Während meine Freunde und Kommilitonen von damals ihre Traineestellen hinter sich ließen, langsam aber stetig die Karriereleitern hochstiegen und mit ihren Vorgesetzten über Firmenwagen diskutierten, diskutierte ich zwar in großer Höhe, aber auf der unteren Sprosse der Karriereleiter, über Hühnchen oder Pasta.

Und je erfolgreicher die anderen wurden, desto mehr hatte ich das Gefühl, den Anschluß zu verpassen und nicht mehr dazu zu gehören.

Denn ich konnte das „mein Haus, mein Auto, mein Boot“ – Spiel nicht mehr so mitspielen, wie ich es gewohnt war.

Mein Job war unter BWLern nicht beeindruckend, eine Karriereleiter nicht in Sicht und mein Auto immer noch dasselbe (hach, Jaques…). beeindrucken Statussymbole Selbstwert stopstoppingyourself stop stopping yourself Blog Selbstbestimmung

Ich erlebte großartige Dinge an Orten, die die meisten von ihnen niemals sehen werden, aber das zählte nicht.
Mir fehlten einfach die Spielkarten zum Beeindrucken-Quartett.

Dass ich als einzige den IchliebemeinenJob – Joker hatte, war mir zu dem Zeitpunkt leider nicht bewusst. Stattdessen kompensierte ich meine fehlenden Spielkarten mit Handtaschen, die ich mir gar nicht leisten konnte und fühlte mich minderwertig.

Ich würde gern mein Vergangenheits-Ich kräftig schütteln.

Schließlich habe ich mich dann sogar ein paar Jahre durch ungeliebte, aber immerhin halbwegs beeindruckende Tätigkeiten gequält, bis ich gemerkt habe, dass ich dieses Spiel gar nicht spielen will.

Es hat einfach zu lange gedauert, bis ich begriffen habe, dass ich nach meinen Regeln spielen kann und es ganz allein an mir liegt, mir meine Mitspieler auszusuchen.

Ich muss niemanden beeindrucken, außer mir selbst.

Ich diskutiere jetzt schon fest ein Jahr wieder über Hühnchen oder Pasta und fühle mich einfach großartig dabei. Ich habe mich getraut, die Karten hinzuwerfen und die anderen das Spiel weiterspielen zu lassen, an dem ich eh keine Freude hatte.

Ich finde das ziemlich beeindruckend!
Und ob irgendwer anderes das beeindruckend findet, ist mir von ganzem Herzen völlig Schnuppe!

Ich habe eine kleine Hausaufgabe für Dich:

Schau dich mal genau um und frag Dich selbst einmal:
Was machst Du, um andere zu beeindrucken?
Sind das Dinge, die Dir wirklich wichtig sind?
Warum ist Dir die Bewunderung der anderen so wichtig?

P.S.: Falls Du jetzt gehofft hast, meine Handtaschen würden eine neue Besitzerin suchen… sie können ja nichts dafür, deshalb behalte ich sie!

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2 Kommentare

  • Samantha

    Samantha

    Antworten

    Okay okay, Dir ist schon klar das die Handtasche eigentlich zu mir möchte. Und das seit Jahren !!!!!

    Du triffst es auf den Punkt, viele vergessen einfach das es genau einen Menschen auf der Welt gibt den man beeindrucken sollte. Und zwar sich selbst!

    Was bringt es wenn andere Leute dich toll und cool finden aber du dich selbst gar nicht leiden kannst. Der beste Job, viel Geld, tolle Markenklamotten, all das macht dich alleine nicht glücklich. Leider raffen es so viele nicht.

    Ich würde auch lieber über Hühnchen oder Pasta diskutieren anstatt unglücklich zu sein.
    😊

    Liebe Grüße
    S.

    • stopstoppingyourself

      stopstoppingyourself

      Liebe S.,

      vielen Dank für Deinen Kommentar, genau darum geht es!

      DU musst nur DICH beeindrucken und stolz auf das sein, was DU geschafft hast!

      Sich für etwas bewundern lassen, dass einen selbst so unglücklich macht, ist doch schierer Wahnsinn!

      Aber das zu erkennen geht nur, wenn man mal einen Schritt zur Seite geht und sich die Sache mal von außen anschaut.
      Manchmal, wenn man den Schritt nicht alleine gehen kann, muss man halt auch mal geschubst werden!

      Und sich selbst leiden zu können, ist mitunter ziemlich schwer… vor allem, wenn man unglücklich ist!

      Und wenn schon die Handtaschen – ja, und auch die Küchenmaschine – Dich lieber mögen, als mich, muss ich ich mir wohl ernsthaft mal Gedanken machen… Sie freuen sich auf jeden Fall sehr, wenn Du sie besuchst! 🙂

      Liebe Grüße
      R.

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