War ja klar, dass ich das verkacke

Oder: Warum sich Erfolg manchmal wie Versagen anfühlt und was Du dagegen tun kannst

Ich bin echt krass! In den letzten beiden Jahren hab ich so viel geschafft und so viel erreicht.

Wow!

Ich habe mir überlegt, was ich wirklich im Leben machen will, meinen sicheren Job im öffentlichen Dienst gekündigt, bin zurück in meinen alten Job als Flugbegleiterin, habe mir die Meinung der anderen am Hintern vorbeigehen lassen und zu dem Thema einen Blog gestartet, meinen zusätzlichen daswollteichimmermachen-Bürojob ergattert und nebenbei eine Fachberater-Ausbildung gemacht.

Ich bin wahnsinnig beeindruckt, wie ich das alles auf die Reihe gekriegt habe, und könnte platzen vor Stolz!

So könnte die Beschreibung der letzten zwei bis drei Jahre in meinem Leben aussehen. Könnte!

Das klingt aber so garnicht nach mir.

Und klingt auch sonst nicht nach irgendjemandem, den ich kenne.

Faktisch ist an der Sache nichts gelogen, aber – ein sehr großes ABER – ich bin so überhaupt nicht beeindruckt und ich könnte auch in keiner Weise platzen vor Stolz.

Nee, stattdessen fühle ich mich wie eine Versagerin, weil ich bei stopstoppingyourself. eine so lange Pause einlegen musste (und mich sogar zeitweise gefragt habe, ob ich es je wieder schaffe weiter zu machen) und weil ich viele Dinge, die ich mir für dieses Jahr vorgenommen habe, nicht verwirklicht, nicht geschafft oder einfach nicht gemacht habe.

Klingt, als wäre das Versager-Gefühl eher gerechtfertigt, oder?

Sehe ich auch so!
Ich finde, ich sollte mal schön die Kirche in Dorf lassen, denn so beeindruckend waren die letzten beiden Jahre ja nun überhaupt garnicht. Es wäre eher angebracht, mich ausgiebig zu grämen und meinen Selbstvorwürfen mehr Raum zu geben.

Ich bin mir sicher, Du gibst mir da völlig recht.

Aber warum ist das so, dass der Fokus meist auf dem liegt, was wir nicht geschafft haben?

Dass, obwohl wir so viel erreicht haben, wir meist nicht stolz auf unsere Leistung sind, sondern uns stattdessen wie Versager fühlen?

Kennst Du das nicht auch von Dir selbst?

Ich kenne dieses Gefühl mehr als genug.

Denn EIGENTLICH ist alles das, was ich in den letzten Jahren so gemacht habe, nun wirklich keine beeindruckende Leistung und – falls da eine Kleinigkeit dabei sein sollte – ist diese erst recht nicht auf mich zurückzuführen.

Ich bin nämlich schlichtweg verrückt, dass ich meine sichere Stelle aufgegeben habe.
Der Blog ist Quatsch, es liest eh niemand was ich hier schreibe und vermisst hat ihn in den letzten Monaten sowieso niemand.
Dass ich mir meine Karriere nicht komplett zerschossen habe, liegt nur daran, dass ich mit dem dawillichimmerhin-Job mehr Glück als Verstand hatte und die Bewerberauswahl einfach echt mies gewesen sein muss, sonst hätte ich ihn auch bestimmt nicht bekommen.
Und die Ausbildung war kinderleicht und auch nicht wirklich also solche zu bezeichnen, denn sonst hätte ich sie nicht nebenbei und beim ersten Anlauf gepackt. Und außerdem hätte das Ergebnis wesentlich besser ausfallen müssen, weil ich den Quatsch ja schließlich auch studiert habe.

So! Das klingt jetzt aber nach mir!
Und das klingt auch verdammt nach Menschen, die ich kenne.

Und es klingt auch viel gesünder, oder etwa nicht?

Hmmm…

Es ist natürlich immer gesünder, den Fokus mal grundsätzlich auf alles Negative zu lenken, ne?
Zum Beispiel auf den einen Depp, der uns auf einer Autofahrt mit guter Musik im Sonnenschein die Vorfahrt nimmt. Oder auf den einen doofen mürrischen Kellner bei einem wahnsinnig leckeren Abendessen in einem unglaublich tollen Restaurant. Oder den Rechtschreibfehler in einer 1,0 Diplomarbeit. Oder den Pickel in einem hübschen Gesicht…

Oder, oder, oder – ich glaube, Du hast verstanden worauf ich hinaus will.

Vielleicht hilft es ja den Gesamteindruck zu verändern, wenn wir die Perspektive wechseln, ein bisschen Abstand nehmen und die gesamte Situation mal in kleine Einzelpäckchen unterteilen und sie uns dann nochmal ganz nüchtern genauer und einzeln anschauen.
Wenn wir nur die Fakten betrachten.
Wie eine Rechenaufgabe quasi: für jedes Einzelereignis eine Bestandsaufnahme ob Stolz oder Versagen angebracht ist und am Ende wird addiert.

Um die gesündere Betrachtungsweise zu finden, würde meine Situation, mal ganz nüchtern betrachtet, wahrscheinlich so aussehen:

Give yourself some credit you've come pretty farIch wollte wieder Spaß am Job, ein glücklicheres Leben: Check!
Ich wollte die Ausbildung bestehen, egal wie: Check!
Ich wollte jede Woche tolle inspirierende Texte auf dem Blog veröffentlichen: Düdüüm! (Zonkgeräusch)
Ich habe den Job den ich immer wollte: Check!
… in der Kombination vor der ich nicht zu träumen gewagt hatte: Check!

Also ist im Grunde genommen das Ergebnis mehr als eindeutig und dazu ist auch noch alles fast genauso gelaufen, wie ich es mir vorgenommen habe.
Bis auf den kleinen Aspekt, dass das Leben mir fast nebenbei einen lange gehegten und längst aufgegebenen Wunsch erfüllt hat: den zusätzlichen Job. (Der gleich mal einen Doppel-Check! gekriegt hat)

Bei genauerer Betrachtung hab ich also nicht nur nicht versagt, sondern ganz schön was geschafft.

Der Perspektivenwechsel hat wohl geholfen.

Und nach der nüchternen und sehr eindeutigen Analyse kann ich jetzt ganz für mich die Entscheidung treffen, ob ich mich gräme, weil ich so lange nichts mehr von mir habe hören lassen ODER ich bin stolz auf mich, was ich alles geschafft habe und schaffe den Gram-Punkt so schnell es geht aus der Welt.

Also stolz sein und genießen und den Punkt, der mich unzufrieden macht ändern?

Oder weiter wie eine Versagerin fühlen?

Was sollte ich denn Deiner Meinung nach tun?

Vielleicht einen Schritt zur Seite gehen, damit ich mir nicht mehr selbst im Weg stehe?

PS: Schön, dass Du immer noch hier bist! Danke für Deine Geduld mit mir!

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