Wie hätten Sie´s denn gern?

Oder: Ich bin verwirrt!

Vor ein paar Jahren sollte ich mich selbst beschreiben und war völlig überrascht, als ich das schlichtweg nicht konnte.
Ich bin wirklich nicht auf den Mund gefallen, aber hier war ich einfach sprachlos.
Jeder Versuch mich selbst zu beschreiben begann mit „ich glaube, ich bin…“, „manchmal bin ich…“ oder „mir wurde gesagt, ich bin…“. Ich konnte mich einfach nicht selbst beschreiben.
Wie konnte das denn sein? Zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon mehr als – ja, ich geb’s zu – dreißig Jahre mit mir verbracht und war trotzdem mit dieser einfachen Sache völlig überfordert.
Und Das war echt nicht schön.

Es ging einfach nicht.

Zu dieser Zeit ging es mir nicht sonderlich gut und ich war mehr denn je darum bemüht, zu gefallen und gemocht zu werden – also die Erwartungen anderer an mich zu erfüllen.
Und das waren verdammt viele Erwartungen. Ich hatte das Gefühl jeder zerrt an mir.

Ich wollte eine gute Freundin, eine tolle Partnerin, eine liebe Tochter, eine erfolgreiche Frau, eine brauchbare Schwester, Schwiegertochter, Enkelin, Mitarbeiterin, Nachbarin, Kollegin, Autofahrerin, Kundin und was nicht noch alles sein.
Von allen Seiten prasselten Erwartungen auf mich ein, denen ich versuchte gerecht zu werden.

Eigentlich genauso viele, wie jedem anderen Menschen in seinem Leben auch begegnen.

Und, mal ehrlich, das sind dann tatsächlich ziemlich viele!

Denn jeder Mensch, dem wir in unserem Leben begegnen, hat Erwartungen an uns. Wir sollen starke Frauen, einfühlsame Männer, gute Autofahrerinnen, kreative Köche, witzige Freundinnen, tolle Kumpel, brave Kinder, coole Eltern, faire Kolleginnen und Kollegen und so weiter sein.

Ob wir die Erwartungen Anderer an uns erfüllen oder nicht, entscheiden zum Glück wir selbst.
Blöd ist nur, wenn wir – wie in meinem Fall – glauben die Erwartungen erfüllen zu müssen, weil wir sonst nicht gemocht werden und unser Leben in trauriger Einsamkeit verbringen müssten.
(Ja, ich weiß, das ist Blödsinn! Aber damals wusste ich das eben noch nicht.)

Leider ist es nur so, dass sich die Erwartungen, die andere an uns haben, auch oft widersprechen.

Wir sollen uns beruflich selbst verwirklichen, aber das doch bitte gesellschaftlich anerkannt (also Ärztin oder Anwältin wär doch ganz passabel).
Wir sollen in die Welt hinaus ziehen, aber bitte in der Heimat bleiben.
Wir sollen uns im Job durchsetzen, aber wenn wir das tun, sind wir unkollegial.
Wir sollen attraktiv sein, aber bitte nicht übertreiben.

Also alles nach dem Prinzip: „Wasch mich, aber mach mich nicht nass.“

Wie soll man denn da nicht verwirrt sein?

Und je nachdem, wer diese Erwartungen an uns hat, werden auch die Methoden gewählt, wie sie an uns herangetragen werden:
Spitzen, Klagen, Vorwürfe, Gejammere, emotionale Erpressung, Dasmachtmannicht – da ist alles dabei.

Und das alles sind nur die Erwartungen, die diejenigen an uns haben, die wir persönlich kennen.
Es gibt ja noch die allgemeinen Erwartungen der Gesellschaft an uns.

Gerade wir Frauen haben es da echt nicht leicht:

wir sollen attraktiv sein, uns in unserem Körper wohlfühlen, abnehmen, uns auf bestimmte Arten attraktiv schminken (Contouring, wie geht das?), uns so gut finden wie wir sind, aber bitte vegan ernähren, den Kuchen eben essen, Low-Carb, No-Carb, Pastarezepte, unabhängige Feministinnen sein, dem Mann die Pantoffeln bringen, 50 Shades of Grey- Sex haben (aber bloß nicht zugeben, dass man die Bücher gelesen hat), Karriere machen, bei den Kindern bleiben, zu unserem Alter stehen (ähäm), jung aussehen, Boyfriendjeans, High-Waist-Jeans, Minikleider, Maxikleider tragen… und so weiter.

Blickt da noch irgendwer durch?

Ist das nicht irgendwie nachvollziehbar, dass uns wegen all der SomusstDuseins der Kopf schwirrt und ich mich nicht mehr zurecht gefunden habe?

Ich habe für mich entschieden, dass mit dem Quatsch jetzt Schluss ist!
Und ich weiß wieder ziemlich genau, wer ich denn bin und wie ich mich beschreiben müsste.

Zum Glück!

Wer, wenn nicht wir selbst, können darüber entscheiden, wie wir über irgendetwas und vor allem über uns denken!

Ich muss mich nicht grämen, weil ich einen Speckbauch habe. Aber ich darf es, wenn ich will!
Ich kann mich hübsch finden, auch wenn Andere das nicht so sehen.
Und ich kann mich auch nicht hübsch finden, auch wenn Andere das nicht so sehen.

Ich darf sein, sowie ich bin!

Und ich darf meine Eigenschaften und Charakterzüge haben.
Meine!
Ich muss mir keine anderen aneignen oder welche von meinen verleugnen.

Ich darf ich sein!

Und muss nicht auf den Quatsch hören, den mir irgendwer einzutrichtern versucht.

Und nachdem uns jetzt in den letzten Jahren von Bikinibridge über Bodyshaming zu Ichfindmichtollsowieichbin suggeriert wurde, was wir über uns zu denken haben, hat eine sehr liebe Freundin von mir die Sache mal auf den Punkt gebracht:
„Ich will über mich denken dürfen, was ich will. Und ich will laut sagen dürfen, dass ich meine Cellulite eben scheiße finde!“

Und genau das trifft es.

Aber ausnahmsweise höre ich auch mal gern auf jemand Anderen, eine sehr kluge Frau, meine Mama, die mir immer sagt „So wie Du bist, bist Du genau richtig!“

Und jetzt eine kleine Hausaufgabe für Dich:

Denk doch einfach so über Dich, wie Du willst!

Weitere Artikel

2 Kommentare

  • jenni

    jenni

    Antworten

    Du triffst es auf den Punkt – man braucht nicht immer einen Fanclub für seine Entscheidungen!
    Danke für deine mega Blogbeiträge!! Du bringst mich zum nachdenken, weiterdenken, zum lachen und inspirierst!!
    <3
    Jenni

    • stopstoppingyourself

      stopstoppingyourself

      Liebe Jenni,

      es gibt nur einen Menschen, dem Deine Entscheidungen gefallen müssen: Dir selbst!

      Also los! Entscheide Dich! Du bist wunderbar!

      Vielen Dank für Deinen lieben Kommentar!

      Ganz liebe Grüße
      Rebecca

Schreibe einen Kommentar zu jenni